Beitrag zum Symposion Abständiges 16.5. 2019 im Kunstraum Kreuzlingen:
Philosophie ins Bild gesetzt – Gedruckte Ausgaben der Consolatio Philosophiae zwischen Tradition und neuer Leserschaft
Mit der Erfindung des Buchdruckes erfolgten sehr viele Auflagen der Trostschrift des Boethius, auch in den Volkssprachen. Zunächst enthielten die gedruckten lateinischen Ausgaben keine Holzschnitte. Allein die volkssprachlichen Editionen wurden mit Bilderschmuck versehen. Neben Holzschnitten finden sich in einigen Drucken auch textfreie Stellen auf den Seiten, die der Käufer von Illuminatoren ausmalen lassen konnte. Ebenso wurden in einigen Ausgaben auch die vorhandenen Holzschnitte mit äußerst qualitätvollen Miniaturen übermalt. Offenbar bediente man auf diese Weise in der Frühdruckzeit gleichzeitig eine kleine, elitäre Käuferschaft neben einer breiten, an kostengünstiger Literatur interessierte. Erst der Straßburger Drucker Johannes Grüninger schuf einen umfassenden Holzschnittzyklus für eine lateinische Ausgabe. Hierzu verwendete er teilweise eigens für den Druck gefertigte Holzschnitte, die er aber nach Bedarf mit kleinen Holzschnittstreifen ergänzte. Diese durchaus kostengünstige Bebilderungstechnik war zwar keine Erfindung Grüningers, doch brachte er diese zu einer ästhetisch ansprechenden Perfektion. Grüninger gelang es, die Ausgabe umfassend mit Holzschnitten zu bebildern, indem er sowohl auf alte Ikonographien zurückgriff als auch neue Bildschöpfungen präsentierte. Ihre Detailgenauigkeit lässt auch die Vermutung zu, dass die Bilder eine didaktisch-memorative Funktion für den Leser haben sollten und somit einen Paradigmenwechsel von einem repräsentativen hin zu einem intellektuellen Mehrwert markieren.
Bild: Boethius, „Vertreibung der Musen Fol. IIV“, in: De Consolatione Philosophiae (Strassburg: Johannes Grüninger, 1501)
Bild: Boethius, „Rad des Schicksals Fol.XXIIIV“, in: De Consolatione Philosophiae (Strassburg: Johannes Grüninger, 1501)
Bild: Boethius, „Scheideweg Fol.XXXVI“, in: De Consolatione Philosophiae (Strassburg: Johannes Grüninger, 1501)
Bild: Boethius, „Vertreibung der Musen (Titelbild)“, in: De Consolatione Philosophiae [dt.] (Strassburg: Johann Schott, 1500)
Bild: Boethius, „Titelbild (Gleichzeitig Initiale des Titels), in: De Consolatione Philosophiae (Lyon: Jean de Vingle für Etienne Gueynard, 20.IV.1498)
Biografische Notizmit aktuellen Veröffentlichungen
Catarina Zimmermann-Homeyer, geboren in Bonn, veröffentlichte im Mai 2018 im Verlag der HAB Wolfenbüttel ihre Dissertationsschrift Illustrierte Frühdrucke lateinischer Klassiker um 1500. Innovative Illustrationskonzepte aus der Straßburger Offizin Johannes Grüningers und ihre Wirkung. Sie studierte von 1996 bis 2004 an der WWU Münster und der FU Berlin Kunstgeschichte, Klassische Archäologie und Alte Geschichte auf Magister. Seminare zu illuminierten Handschriften und illustrierten Drucken weckten ihr Interesse an der Forschung zur Buchillustration. Bereits ihre Magisterarbeit schrieb sie über die Bebilderung einer Lyoner Ausgabe der Metamorphosen Ovids aus dem Jahr 1510. Während der Forschungen zu ihrer Dissertationsschrift war sie Stipendiatin an der HAB Wolfenbüttel (2010 und 2016), hielt wissenschaftliche Vorträge und Gastvorlesungen und publizierte zu illustrierten Klassikern. Im Jahr 2014 verteidigte sie ihre Dissertationsschrift an der Universität Bonn bei Prof. Dr. Georg Satzinger und Prof. Dr. Harald Wolter-von dem Knesebeck. Catarina Zimmermann-Homeyer lebt und arbeitet in Berlin.
Veröffentlichungen
Catarina Zimmermann-Homeyer, „Spuren eines drucktechnischen Experiments in den Holzschnitten der Terenz-Ausgaben des Straßburger Frühdruckers Johann Prüß“, in: Stephan Füssel (Hrsg.), Gutenberg-Jahrbuch(Wiesbaden: Harrassowitz, 2019), S.69-90.
Catarina Zimmermann-Homeyer, „Der Figur klerliche Erklärung. Didaktik und Ars memorativa in Text und Bild der ersten deutschen Gesamtausgabe der Terenz-Komödien von 1499.“, in: Jürgen Wolf (Hrsg.), Zeitschrift für deutsches Altertum (Stuttgart: Hirzel, im Druck)
Catarina Zimmermann-Homeyer, Illustrierte Frühdrucke lateinischer Klassiker um 1500. Innovative Illustrationskonzepte aus der Straßburger Offizin Johannes Grüninger (Wolfenbütteler Abhandlungen zur Renaissanceforschung Bd. 36) (Wiesbaden: Harrassowitz, 2018)
Catarina Zimmermann-Homeyer, „Eine bislang unbekannte Verwendung der Holzschnittfolge „Venedig 1497“ in einer Edition der Metamorphosen aus dem Jahre 1517“, in: Jürgen Leonhardt (Hrsg.), Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen(Wolfenbütteler Arbeitskreises für Renaissanceforschung Bd. 3)(Wiesenbaden: Harrassowitz), S.103-134.