Abständiges – Gegenwartskunst in Wechselwirkung mit Philosophie
Donnerstag, 16. Mai 2019, 12 – 17 Uhr, Kunstraum Kreuzlingen
Programm
12.00 Uhr Begrüssung: Richard Tisserand
Einleitung: Nils Röller
12.15 Uhr – Sektion I
Räumlichkeit im Abstand: Boethius in Gefangenschaft
Thomas Jürgasch: «Worüber man nicht reden kann, darauf muss man zeigen — Boethius’ Bild der wechselnden Größe der Philosophia»
Andreas Kirchner: «Die Zelle als Erkenntnisraum? Raumkonzepte in der Consolatio»
13.15 Uhr – Sektion II
Abstände wahrnehmen: Bildprotokolle
14.15 Uhr – Sektion III
Reflexion: Zerzeigung-Darstellung-Beiwerk
Ein Gespräch mit Dieter Mersch, Arno Schubbach und Nils Röller
15.00 Uhr – Pause
15.30 Uhr – Sektion IV
Buchdruck: Ein Fallbeispiel der Distanzierung
Catarina Zimmermann-Homeyer: «Philosophie ins Bild gesetzt – Frühdrucke der Consolatio Philosophiae zwischen Tradition und neuer Leserschaft»
16.00 Uhr – Sektion V
Chronotopografie: Vergegenwärtigen
Daniel Irrgang: «Chronotopographie: Erkundungen medienarchäologischer Raum- und Zeitachsen»
Robert Preusse: «Diskursive Verortung»
17.00 Uhr – Book Release
Beat Streuli – Fabric of Reality (Lars Müller Publishers, Zürich 2019)
Verbinden Linien das, was durch zeitliche Abstände getrennt ist? Oder sind Sprünge, abrupte Wechsel, die aus der künstlerischen Praxis bekannt sind, relevant? Dann, wenn Bilder aus der Antike in der Gegenwart betrachtet werden?
Das Symposion Abständiges geht vom jähen Wechsel aus. Es diskutiert am Beispiel der Dame Philosophie und dem legendären Gefangenen Boethius Praxen, und zwar der Wahrnehmung, Gestaltung und Auseinandersetzung mit historisch weit entfernten Bildern. Zur Sprache kommen «Bildprotokolle» aus dem SNF-Projekt «Ikonografie der Trostschrift» und auch Linien- führungen in der «Chronotopografie» und «Forensic Architecture».
Abständiges lädt zu Vorträgen und Diskussion von 12 – 17 Uhr ein, anschliessend um 17 Uhr zu der Präsentation des Buchs Beat Streuli – Fabric of Reality (Lars Müller Publishers, Zürich 2019).
Weitere Informationen zu den Referentinnen und ihren Beiträgen
Vollständiges Programm als PDF
Synopse der Ausstellung Zellenleben
Bilder (v.l.n.r.)
Detail aus «Bildprotokoll» SNF-Projekt «Ikonografie der Trostschrift»
Zürich, Zentralbibliothek Zürich, Boetius de Philosophico consolatu, siue de consolatio[n]e philosophi[a]e (Strassburg: Johann Grüninger, 1501), 5r.
Synopsis
Abständiges – Gegenwartskunst in Wechselwirkung mit Philosophie
Auf Social Media und im Internet sind diese Bilder nur durch Zufall zu finden. Jedenfalls nicht mit dem Suchbefehl «Philosophie». Gemeint sind Darstellungen von der «Dame Philosophie». Sie wurde in kostbaren Handschriften von unbekannten Buchmalern portraitiert. In St. Gallen, Einsiedeln, aber auch in Buchwerkstätten in Paris und der Insel Reichenau wurde beschrieben und gezeigt, wie die «Dame Philosophie» in einer Zelle mit dem Philosophen Boethius über Gefangenschaft und Freiheit spekulierte.
Das Symposion setzt ein bei zeitlichen Abständen, bei Ungewohnten, der Befremdung, die Bilder aus dem Mittelalter in der Gegenwart auslösen. Folgende Fragen werden gestellt: Wie lassen sich Bilder künstlerisch erkunden, die in weitem zeitlichen Abstand einmal theoretisch und praktisch herausgefordert haben? Welches Interesse kann die Bildtheorie hier finden, hier bei Bildern, die Dialog und Spekulation darstellen? Wie relevant ist heute die Situation eines Denkers in Gefangenschaft, und zwar von Boethius, einem Philosophen, Dichter und Politiker an der Grenze von Antike zu Gegenwart.
Zur Diskussion stehen Schnittstellen zwischen künstlerischem Prozess und wissenschaftlicher Forschung. Schnittstellen, die das Symposion «Abständiges» detailliert bespricht, sind: Bildprotokolle des SNF-Projekts «Ikonografie der Trostschrift», Paratexte im frühen Buchdruck und graphische Darstellungen von zeitlichen Abständen in Diagrammen und Karten, die sogenannte «Chronotopographie», die auch für die Wahrnehmung von Gefangenschaft in der Perspektive von «Forensic Architecture» relevant ist.
Das Symposion lädt Künstlerinnen, Gestalterinnen, Bildtheoretiker und Philosophen ein, gemeinsam darüber zu reflektieren. Sie treffen sich zu Gesprächen und Kurzreferaten in der Ausstellung «Zellenleben». Die fünf Positionen der KünstlerInnen der Ausstellung zielen auf Leben, Lebensbedingungen und Lebensentstehungen. In den Medien Video, Malerei, Zeichnung, Installation und Fotografie entwickeln Judith Albert, Barbara Ellmerer, Jso Maeder, Dominic Neuwirth und Beat Streuli Wahrnehmungen von Zellen und den Möglichkeiten, die sie bergen.
Beat Streulis neues Buch «Fabric of Reality» lenkt den Blick auf «Beiwerke», auf das was nebensächlich wirkt. Das Symposion findet mit der Präsentation des Buches einen Abschluss.
Anlass von Ausstellung und Symposion sind Darstellungen der „Lady Philosophy“ und Boethius, der in der Gefangenschaft, vor seiner Hinrichtung das „Trost der Philosphie“ verfasst hat. Vera Kaspar stellt Bildprotokolle zu ihm in einer Vitrine vor. Sie sind in einem Forschungsprojekt am IFCAR/ZHdK entwickelt worden, das vom SNF gefördert wird.